Wir treffen Entscheidungen nicht immer rational. Oft verlassen wir uns auf sogenannte kognitive Verzerrungen—mentale Abkürzungen, die uns helfen, Informationen schneller und müheloser zu verarbeiten.
Diese Abkürzungen erleichtern den Alltag, können aber auch zu fehlerhaften Schlussfolgerungen und irrationalem Verhalten führen.
Marken können genau hier ansetzen. Wer kognitive Verzerrungen versteht, kann seine Markenkommunikation überzeugender gestalten.
Hier stelle ich dir zehn kognitive Verzerrungen vor, die du als Marke nutzen kannst, um die Entscheidungsfindung deiner Kunden zu beeinflussen, Vertrauen aufzubauen und ihnen echten Mehrwert zu bieten. Dabei ist es wichtig, authentisch und fair zu bleiben und nicht manipulativ zu werden.
1. Soziale Bewährtheit (Social-Proof)
Wir orientieren uns gerne an anderen, besonders, wenn wir uns unsicher fühlen. Die dem zugrunde liegende kognitive Verzerrung nennt man Social Proof.
Marken können Social Proof nutzen, indem sie zeigen, dass ihre Produkte oder Dienstleistungen von anderen geschätzt, bewertet und empfohlen werden.
Du kannst Vertrauen aufbauen und potenzielle Käufer beruhigen, indem du Testimonials einsetzt oder die aktiven Nutzer auf deiner Website anzeigst. Wenn so viele Menschen zufrieden sind, muss es ja eine gute Wahl sein.
Wird Social Proof bewusst und ehrlich eingesetzt, verleiht er deiner Marke Glaubwürdigkeit und signalisiert, dass dein Angebot erprobt, getestet und vertrauenswürdig ist.
Beispiele
- Airbnb setzt auf Social Proof, indem es die Bewertungen früherer Gäste zeigt. Dadurch bekommen Nutzer ein Gefühl der Sicherheit, bevor sie eine Unterkunft buchen.
- Uber baut Vertrauen auf, indem es die Bewertungen der Fahrer sowie die Anzahl ihrer abgeschlossenen Fahrten anzeigt. Das gibt neuen Nutzern Sicherheit in Bezug auf die Qualität und Zuverlässigkeit des Services.
- Spotify nutzt kuratierte Playlists und Nutzerstatistiken, um das Entdecken neuer Musik zu erleichtern und Nutzer zu ermutigen, Neues auszuprobieren.
2. Knappheit (Scarcity)
Marken können ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen, indem sie die Verfügbarkeit ihrer Produkte einschränken. Viele Unternehmen setzen auf zeitlich begrenzte Angebote, exklusive Veröffentlichungen oder Hinweise auf einen niedrigen Lagerbestand, um Käufer zu schnellen Entscheidungen zu bewegen.
Diese Strategie basiert auf der kognitiven Verzerrung der Knappheit: Dinge erscheinen uns wertvoller, wenn sie begrenzt oder selten sind. Das motiviert potenzielle Kunden, schnell zu handeln, um nichts zu verpassen.
Als Marke solltest du diese Taktik jedoch vorsichtig einsetzen. Sie kann schnell als manipulativ wahrgenommen werden. Sei ehrlich und transparent in Bezug auf die Verfügbarkeit deiner Produkte und setze Menschen nicht unter Druck, Entscheidungen zu treffen, die sie später bereuen könnten.
Beispiele
- Adidas brachte mit einer beliebten Anime-Serie eine limitierte Schuhkollektion heraus. Die Schuhe waren nur für kurze Zeit verfügbar, was bei Sammlern und Fans für hohe Nachfrage sorgte.
- Eine Ogilvy-Kampagne für KFC in Australien steigerte den Pommes-Verkauf um 56%, indem sie mithilfe von Texten ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugte.
- Supreme nutzt Knappheit, indem sie limitierte Kollektionen herausbringt. So entsteht eine Kult-Anhängerschaft, und die Produkte sind schnell ausverkauft und werden teils sogar teurer weiterverkauft.
3. Halo-Effekt
Wir nehmen oft an, dass etwas oder jemand, der in einem Bereich glänzt, auch in anderen Bereichen gut sein muss. Diese mentale Abkürzung nennt man Halo-Effekt.
Es gibt auch das Gegenstück, den Horn-Effekt: Eine einzelne negative Eigenschaft beeinflusst unsere Wahrnehmung aller anderen Eigenschaften. Doch bleiben wir zunächst beim Halo-Effekt.
Marken können diese kognitive Verzerrung nutzen, indem sie ein herausragendes Merkmal besonders betonen. Ein hochwertiges Design, eine auffällige Farbpalette oder eine elegante Markenschrift können das gesamte Produkt wertvoller und professioneller wirken lassen—ganz unabhängig von seiner tatsächlichen Funktionalität.
Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert eine Studie, in der untersucht wurde, welchen Einfluss ein Eco-Score-Label auf die Wahrnehmung eines Produkts hatte. Obwohl das Label lediglich angab, wie umweltfreundlich ein Produkt war, wurden Produkte mit der höchsten Bewertung (A) von den Teilnehmern auch als gesünder und schmackhafter wahrgenommen, obwohl sich die Inhaltsstoffe nicht verändert hatten.
Möchtest du erfahren, wie du dies für deine eigene Marke nutzen kannst? In diesem Artikel stelle ich fünf praktische Wege vor, wie du den Halo-Effekt im Branding und Marketing einsetzen kannst.
Beispiele
- Apple: Das schlichte, minimalistische Produktdesign und die hochwertige Verpackung vermitteln einen Eindruck von hoher Qualität. Dieser Eindruck überträgt sich auch auf andere Bereiche der Marke – etwa den Kundenservice oder die Nutzerfreundlichkeit.
- Nike: Die enge Verbindung zu Spitzensportlern und motivierende Slogans wie „Just Do It“ schaffen eine starke Assoziation mit Leistung und Disziplin. Dadurch wirken selbst Alltagsprodukte wie professionelle Ausrüstung.
- Aesop: Die edlen, minimalistischen Verpackungen und die stilvoll eingerichteten Shops strahlen Eleganz und Qualität aus. Obwohl die Inhaltsstoffe oft schlicht und natürlich sind, wird den Produkten dadurch eine besonders hohe Wirkung zugeschrieben.
4. Ankereffekt (Anchoring Bias)
Bei Entscheidungen verlassen wir uns oft stark auf die erste Information, die wir erhalten. Diese mentale Abkürzung wird als Anchoring Bias oder Ankereffekt bezeichnet.
Marken können diesen Effekt nutzen, indem sie zunächst ein besonders teures Produkt präsentieren. Alles, was danach folgt, wirkt im Vergleich dazu wie ein besseres Angebot.
Oder sie können direkt den größten Vorteil ihres Angebots anführen, um von Anfang an einen positiven Anker zu setzen.
Ein typisches Beispiel ist, dass Unternehmen häufig mehrere Preisklassen anzeigen und dabei die höchste oder niedrigste Option zuerst präsentieren. Durch diese Strategie erscheinen die mittleren Optionen vernünftiger—und genau diese wählen Kunden oft am Ende.
Beispiele
- Autohändler zeigen oft zuerst das teuerste Modell. Im Vergleich dazu wirken die günstigeren Varianten anschließend deutlich preiswerter.
- Fluggesellschaften setzen hohe Preise für First-Class-Tickets gezielt ein, um Economy oder Economy Plus attraktiver erscheinen zu lassen.
- Softwareanbieter wie Dropbox nutzen den Anker-Effekt: Neben dem kostenlosen Basisangebot und einem teuren „Advanced“-Paket wirkt das mittlere „Essentials“-Angebot besonders vernünftig—und wird dadurch häufiger gewählt.
5. Reziprozität (Reciprocity)
Menschen haben von Natur aus die Tendenz, Gefälligkeiten oder Freundlichkeiten zu erwidern. Dieses Prinzip nennt man Reziprozität.
Marken können dies zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie von Anfang an etwas Wertvolles anbieten, beispielsweise kostenlose Ressourcen, Produktproben oder Testversionen von Software.
Schon kleine Gesten können Wohlwollen erzeugen und Menschen eher dazu bringen, mit einem Kauf, einer Empfehlung oder einer zukünftigen Zusammenarbeit zu reagieren.
Beispiele
- Adobe bietet kostenlose Testversionen seiner Software an, sodass potenzielle Kunden das Produkt ausprobieren können, bevor sie sich festlegen. Dies erzeugt oft ein subtil empfundenes Gefühl der Verpflichtung, „etwas zurückzugeben“, indem die Vollversion gekauft wird.
- Sephora verschenkt kostenlose Proben von Kosmetikprodukten. Viele fühlen sich anschließend verpflichtet, etwas zu kaufen.
- Red Bull verteilt bei Veranstaltungen wie Sportwettkämpfen oder Festivals kostenlose Getränke.
6. Autoritäts-Bias (Authority Bias)
Wenn wir eine Person als glaubwürdig oder autoritär einschätzen, neigen wir dazu, ihren Meinungen stärker zu vertrauen, unabhängig davon, ob sie objektiv korrekt sind. Dieses Phänomen nennt man Autoritäts-Bias.
Marken können diese Tendenz nutzen, indem sie anerkannte Experten, Meinungsführer oder Prominente in ihre Kommunikation einbeziehen. So erhöhen sie ihre eigene Autorität und Glaubwürdigkeit und gewinnen das Vertrauen potenzieller Kunden.
Beispiele
- Colgate setzt Zahnärzte in der Werbung ein, um das Vertrauen in die Marke zu stärken.
- Garnier lässt Dermatologen für seine Produkte werben, um deren Glaubwürdigkeit zu erhöhen.
- GoPro zeigt Sportler, die ihre Kameras in extremen Bedingungen nutzen, um die Qualität des Produkts zu beweisen.
7. Mitläufereffekt (Bandwagon Effect)
Oft übernehmen wir Meinungen oder Verhaltensweisen einfach, weil sie bei anderen beliebt sind. Diese Tendenz wird Mitläufer-Effekt genannt. Wir fühlen uns natürlicherweise dazu hingezogen, der Masse zu folgen – besonders, wenn etwas als „cool“ wahrgenommen wird.
Marken können diese kognitive Verzerrung ausnutzen, indem sie die Beliebtheit ihrer Produkte oder Dienstleistungen betonen. Wenn ein Produkt von vielen Menschen oder einer angesehenen Gruppe gemocht wird, kann dieser sozialer Druck andere dazu motivieren, ebenfalls mitzumachen.
Marken, die ihre Beliebtheit effektiv kommunizieren, erhöhen also die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen einen Kauf tätigen—schlichtweg, weil alle anderen es auch tun.
Beispiele
- Sephora hat das „Beauty Insider“-Programm, das treue Kunden mit exklusiven Vorteilen belohnt, wie zum Beispiel frühzeitigem Zugang zu neuen Produkten und Geschenken. So fühlen sich die Kunden besonders und Teil einer exklusiven Gruppe.
- Soho House ist ein exklusiver Club nur für Mitglieder, hauptsächlich für kreative Profis. Durch besondere Veranstaltungen und hochwertige Einrichtungen entsteht ein Gefühl von Zugehörigkeit und Exklusivität.
- Patagonia hebt seine Umweltfreundlichkeit hervor und macht seine Kunden stolz, Teil einer Bewegung zu sein, die nachhaltige Produkte unterstützt.
8. Bestätigungsfehler (Confirmation Bias)
Der Bestätigungsfehler bezeichnet die Tendenz, Informationen so aufzunehmen und zu interpretieren, dass sie unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen. Was nicht in unser Weltbild passt, blenden wir oft aus, ob bewusst oder unbewusst.
Genau hier können Marken ansetzen. Gestalten sie ihre Botschaften so, dass sie die Werte und Überzeugungen ihrer Zielgruppe reflektieren, fühlen sich Menschen verstanden und in ihrer Sichtweise bestärkt.
Wenn jemand beispielsweise großen Wert auf Nachhaltigkeit legt, wirken Botschaften zu umweltfreundlichen Materialien, fairer Produktion oder CO₂-neutralen Lieferketten besonders überzeugend. Die Marke bestätigt damit die Werte ihrer Kunden und baut so emotionale Nähe auf.
Wichtig ist, dass die Kommunikation ehrlich und glaubwürdig bleibt. Wer nur vorgibt, bestimmte Werte zu vertreten, verliert langfristig das Vertrauen seiner Kunden.
Beispiele
- Innocent Drinks betont den reinen Fruchtanteil ohne Zusatzstoffe, was gesundheitsbewusste Käufer in ihrer Überzeugung stärkt.
- Toms Chocolatey wirbt damit, dass mit jedem Kauf faire Löhne unterstützt werden, und bestätigt so die Werte ethischer Konsumenten.
- Volvo hebt seine erstklassigen Sicherheitsfeatures hervor und bestätigt so das Vertrauen sicherheitsbewusster Autofahrer.
9. Framing
Wie Informationen präsentiert—oder „gerahmt“—werden, kann unsere Wahrnehmung stark beeinflussen.
Marken präsentieren ihre Produkte oder Dienstleistungen oft als Lösungen für bestimmte Probleme, was eine emotionale Reaktion bei Kunden auslöst.
Indem Marken ihr Angebot in einem bestimmten Licht darstellen, stärken sie ihre Position am Markt und erleichtern es Kunden, sie als die ideale Wahl für ihre spezifischen Bedürfnisse zu sehen.
Beispiele
- Dollar Shave Club positionierte sich als Antwort auf das Problem überteuerter Rasierklingen und bietet hochwertige Klingen zu einem fairen Preis an.
- Volkswagen stellte seine Kleinwagen in den 1960er Jahren als clevere, effiziente Alternative zu großen Spritfressern dar. Der Slogan „Think Small“ verlieh dem Besitz eines kleinen Autos ein neues, positives Image.
- Avis nutzte zur gleichen Zeit den Slogan „We Try Harder“, um sich als engagierter Außenseiter hinter Marktführer Hertz zu präsentieren. Das sprach Kunden an, die persönlichen Einsatz und guten Service schätzten.
10. Verlustaversion (Loss Aversion)
Menschen empfinden den Schmerz eines Verlusts tendenziell stärker als die Freude über einen gleichwertigen Gewinn. Dieses Phänomen nennt man Verlustaversion.
Marken können dies nutzen, indem sie beispielsweise eine Geld-zurück-Garantie oder eine risikofreie Testphase anbieten. So wird die Angst vor einer Fehlentscheidung reduziert und die mentale Hürde für den Kauf gesenkt.
Beispiel
Ich erinnere mich noch an den Kauf meiner ersten Ecosa-Matratze. Überzeugt hat mich damals die 180-Tage-Geld-zurück-Garantie. Natürlich nutzen die meisten ein solches Angebot am Ende nicht—vor allem, wenn sie mit dem Produkt zufrieden sind. Aber allein die Möglichkeit, die Matratze risikofrei zu testen, hat mir die Entscheidung damals erleichtert.
Heute, sechs Jahre später, schlafe ich immer noch gern darauf. Inzwischen habe ich sogar eine zweite Matratze und ein Bettwäscheset von Ecosa gekauft und Freunde davon überzeugt, ebenfalls eine Ecosa zu bestellen. Und seien wir ehrlich: Ohne diese Testphase hätte ich die Matratze vermutlich nie bestellt.
Fazit
Wenn Marken diese kognitiven Verzerrungen nutzen, können sie Vertrauen aufbauen und langfristige Beziehungen zu ihren Kunden fördern.
Wer versteht, wie Menschen denken und fühlen, kann Erlebnisse schaffen, die bei ihnen tief ankommen und echten Mehrwert bieten.
Entscheidend beim Einsatz kognitiver Verzerrungen ist jedoch, transparent und ehrlich in Bezug auf die Markenstrategien zu sein. Konsumenten sollten niemals gezielt manipuliert werden.
Diese Ehrlichkeit kann wiederum die Reputation und Glaubwürdigkeit deiner Marke stärken.
Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, könnten dich auch diese Artikel interessieren:
Titelbild von Antoni Shkraba Studio