In dieser Liste kognitiver Verzerrungen habe ich 25 Denkfehler mit Beispielen aus Praxis und Wissenschaft zusammengestellt—um besser zu verstehen, warum Verbraucher (und Menschen generell) oft Entscheidungen treffen, die auf den ersten Blick unlogisch erscheinen.
Bevor wir jedoch ins Detail gehen, möchte ich dir kurz erklären, was eine kognitive Verzerrung eigentlich ist und warum sie auftritt.
Was ist eine kognitive Verzerrung?
Eine kognitive Verzerrung ist ein unbewusster Denkfehler, der entsteht, weil unser Gehirn ständig versucht, die komplexe Welt um uns herum schnell und mit minimalem Aufwand zu interpretieren.
Diese mentale Abkürzung hilft uns zwar, im Alltag schnell zurechtzukommen, führt aber auch dazu, dass wir Informationen manchmal falsch bewerten und Entscheidungen treffen, die weniger rational sind, als wir es vielleicht erwarten würden.
Das Verständnis dieser Verzerrungen ist nicht nur faszinierend, sondern kann dich auch zu einem besseren Marketer, Unternehmer oder Markenentwickler machen.
Bist du bereit mehr zu erfahren? Die folgende Liste kognitiver Verzerrungen gibt dir einen Überblick über typische Denkfehler, die du in deinem Marketing und Branding gezielt nutzen kannst.
25 kognitive Verzerrungen erklärt
1. Handlungsdrang (Action Bias)
Wenn wir mit Unsicherheit konfrontiert sind, fühlen wir uns oft gezwungen, etwas zu tun—selbst wenn diese Handlung eigentlich nichts bringt. Das Gefühl, aktiv zu werden, vermittelt uns ein beruhigendes Gefühl von Kontrolle.
Diese Handlungsbias kann im Branding und Business dazu führen, dass du in Panik ein neues Produkt auf den Markt bringst, zu früh ein Rebranding durchführst oder deine Strategie schon beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten über den Haufen wirfst. Doch manchmal ist der cleverste Schritt, erst einmal innezuhalten, Daten zu sammeln und dann eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen.
Beispiel
Im Fussball tauchen Torhüter bei Elfmetern häufig nach links oder rechts ab, obwohl sie statistisch gesehen mehr Schüsse halten würden, wenn sie einfach in der Mitte stehen bleiben würden.[1]
Stillzustehen fühlt sich falsch an, also handeln sie, auch wenn es nicht die klügste Entscheidung ist. Das ist ein klares Beispiel für die Handlungsbias.
2. Mehrdeutigkeitseffekt (Ambiguity Effect)
Wenn Details vage sind, neigen Menschen dazu, Entscheidungen zu vermeiden.
Das bedeutet im Marketing: Bleiben auf deiner Website oder in deinen Produktbeschreibungen Fragen offen, beispielsweise durch unklare Preise oder schwammige Versandbedingungen, werden potenzielle Kunden wahrscheinlich nicht kaufen.
Beispiel
Eine Studie der Cornell University hat herausgefunden, dass Gerichte mit beschreibenden Labels in Restaurants um 27% häufiger bestellt wurden. Klare, detaillierte Informationen reduzieren Unsicherheit und schaffen Vertrauen.
3. Anker-Effekt (Anchoring Bias)
Oft verlassen wir uns stark auf die erste Information, die wir zu einem Thema erhalten. Dieser Effekt wird als Ankereffekt bezeichnet—also unsere Tendenz, anfänglichen Informationen bei Entscheidungen zu viel Gewicht beizumessen.
Ein Beispiel: Wenn ein T-Shirt von 100 Euro auf 60 Euro reduziert ist, dient der ursprüngliche Preis als Anker. Dadurch wirkt der Preis von 60 Euro wie ein gutes Angebot, auch wenn das T-Shirt immer noch überteuert ist.
Beispiel
Autoverkäufer nutzen diesen Trick auch häufig. Sie präsentieren dir zuerst ein teures Modell, damit dir das nächste wie ein Schnäppchen erscheint.
4. Autoritäts-Bias (Authority Bias)
Wir neigen dazu, Experten, Führungskräften und Fachleuten instinktiv zu glauben, ohne ihre Aussagen zu hinterfragen.
Deshalb kann es im Branding von Vorteil sein, mit anerkannten Experten zusammenzuarbeiten oder Empfehlungen einzuholen, um Glaubwürdigkeit zu erlangen.
Beispiel
Lucky Strike war die erste Zigarettenmarke, die mit dem Bild eines Arztes für Zigaretten warb und damit auf die Autoritätsbias setzte. Diese Verbindung ließ das Produkt damals sicherer und vertrauenswürdiger erscheinen—heute wissen wir das natürlich besser!
5. Verfügbarkeitsheuristik (Availability Heuristic)
Wir verlassen uns stark auf Informationen, die wir häufig sehen oder hören. Wenn ein Thema in den Nachrichten präsent ist, erinnern wir uns eher daran. Dadurch kann es uns wichtiger oder dringlicher erscheinen, als es tatsächlich ist.
Der Klimawandel erscheint beispielsweise weniger dringlich, wenn die Nachrichten stark vom Kriegsgeschehen dominiert werden.
Die Verfügbarkeitsheuristik kann auch die Wahrnehmung deiner Marke beeinflussen. Indem häufig über deine Marke gesprochen wird, nehmen die Konsumenten sie direkt als wichtiger oder relevanter wahr.
Beispiel
Nach schweren Flugzeugunglücken neigen Menschen oft dazu, das Risiko des Fliegens zu überschätzen. Tatsächlich ist Fliegen jedoch viel sicherer als Autofahren. Laut dem National Safety Council beträgt die Wahrscheinlichkeit, bei einem Autounfall zu sterben, 1 zu 95, während die Wahrscheinlichkeit, bei einem Flugzeugabsturz zu sterben, so gering ist, dass sie nicht berechnet werden konnte (Daten von 2023).
6. Mitläufereffekt (Bandwagon Effect)
Hast du dich schon einmal gefragt, warum bestimmte Trends sich durchsetzen?
Oft übernehmen wir Überzeugungen oder Verhaltensweisen einfach, weil alle anderen es auch tun.
Im Marketing kann die Darstellung von Popularität—beispielsweise in Form von Kundenbewertungen, Wartelisten oder ausverkauften Produkten—den Mitläufereffekt ausnutzen, um Vertrauen zu schaffen und die Verkaufszahlen zu steigern.
Beispiel
Es wird angenommen, dass der Mitläufereffekt sogar politische Wahlen beeinflusst. Die Wähler werden von Parteien oder Kandidaten angezogen, von denen sie glauben, dass sie populär sind und daher mit größerer Wahrscheinlichkeit die Wahl gewinnen werden.
7. Basisratenfehler (Base Rate Neglect)
Lebendige Geschichten überlagern oft nüchterne Fakten. Wir neigen dazu, allgemeine statistische Daten (Basisraten) zu übersehen und bei unseren Entscheidungen stattdessen spezifische oder besonders anschauliche Informationen stärker zu gewichten.
Im Branding kann diese Tendenz genutzt werden, indem Marken mehr Wert auf spannende Markengeschichten als auf die Auflistung von Daten und Fakten legen. Geschichten schaffen emotionale Verbindungen. Sie sind einprägsam und bleiben viel länger im Gedächtnis als bloße Zahlen.
Beispiel
Hier ein Gedankenexperiment von Daniel Kahneman:
„Linda ist einunddreißig Jahre alt, ledig, direkt und sehr intelligent. Sie hat Philosophie studiert. Als Studentin beschäftigte sie sich intensiv mit Fragen der Diskriminierung und sozialen Gerechtigkeit und nahm auch an Anti-Atomkraft-Demonstrationen teil. Welche Alternative ist wahrscheinlicher?
- Linda ist eine Bankangestellte.
- Linda ist Bankangestellte und engagiert sich in der feministischen Bewegung.“
Du könntest denken, dass die zweite Option wahrscheinlicher ist, weil sie zu dem Bild passt, das du von Linda hast.
Statistisch gesehen ist jedoch die erste Option deutlich wahrscheinlicher. Dies ist ein Beispiel für den Basisratenfehler, bei dem spezifische Details unser Verständnis der allgemeinen Wahrscheinlichkeit verzerren.[2]
8. Kognitive Dissonanz (Cognitive Dissonance)
Warum fällt es uns so schwer, unsere Meinung zu ändern?
Wir fühlen uns unwohl, wenn neue Informationen unseren Überzeugungen, Werten oder Einstellungen widersprechen. Um diese Spannung zu vermeiden, lehnen wir widersprüchliche Informationen ab. Wir ignorieren oder rationalisieren sie einfach.
Unternehmen können kognitive Dissonanz erleben, wenn sie eine Veränderung einführen, die den Erwartungen oder bisherigen Erfahrungen ihrer Kunden widerspricht.
Wenn eine Luxusmarke plötzlich günstigere Produkte anbietet, könnten sich die Kunden verunsichert fühlen und die Glaubwürdigkeit der Marke infrage stellen.
Um Kunden nicht zu vergraulen, sollten Marken drastische Veränderungen daher schrittweise einführen und transparent kommunizieren.
Beispiel
Eine Studie ergab, dass israelische Juden einem Friedensplan weniger positiv gegenüberstehen, wenn er den Palästinensern zugeschrieben wird, als wenn er ihrer eigenen Regierung zugeschrieben wird.
9. Bestätigungsfehler (Confirmation Bias)
Wir suchen gezielt nach Informationen, die unsere Überzeugungen bestätigen, weil wir es lieben, Recht zu behalten. Gleichzeitig neigen wir dazu, alles zu ignorieren, was unsere Ansichten infrage stellt.
Im Bereich Business und Branding kann der Bestätigungsfehler dazu führen, dass Marken sich nur auf Feedback konzentrieren, das mit ihrer aktuellen Strategie konform geht, und konstruktive Kritik beiseiteschieben. Dadurch verpassen sie jedoch Wachstumschancen.
Beispiel
Vielleicht mögen wir soziale Medien so sehr, weil sie uns das zeigen, was wir sehen wollen.
Die Algorithmen der sozialen Medien lernen, was Nutzern gefällt. Dann bieten sie dementsprechende Informationen an, wodurch der Nutzer länger auf der Plattform verweilt. Allerdings wird der Nutzer dadurch auch in eine Spirale immer gleicher Ideen gezogen, eine sogenannte Echokammer.
10. Köder-Effekt (Decoy Effect)
Wahrscheinlich ist dir das schon aufgefallen: Egal, ob es um Software-Abos, Coffee to go oder Serviceleistungen geht—Unternehmen bieten fast immer drei Optionen an. Aber warum ist das eigentlich so?
Das ist kein Zufall, sondern Psychologie. Genauer gesagt wird hier der Köder-Effekt genutzt.
Wenn Marken eine dritte Option hinzufügen, bieten sie dir nicht nur mehr Auswahl, sondern beeinflussen auch deine Entscheidung.
Der Köder ist so gestaltet, dass er weniger attraktiv ist als die teuerste Option, aber besser als die günstigste. Dadurch erscheint die mittlere Wahl als die klügste Entscheidung.
Preisstrategien sind deshalb oft in drei Stufen unterteilt: eine Basis-, eine Premium- und eine „Best-Value“-Option in der Mitte. So werden Verbraucher dazu angeregt, mehr auszugeben, haben dabei aber das Gefühl, die Kontrolle zu behalten.
Beispiel
Ein bekanntes Beispiel stammt von dem Psychologen und Verhaltensökonomen Dan Ariely. Für die Fachzeitschrift The Economist hat er drei Abonnement-Optionen erarbeitet:
Ein-Jahres-Abonnement für Economist.com (vollständiger Zugang zu allen Online-Artikeln), US $59.00
Ein-Jahres-Abonnement für die Printausgabe des Economist, US $125.00 (Köder)
Print- und Web-Abonnement, US $125.00
Die Einführung der Köderoption führte dazu, dass 84 % der Teilnehmer die dritte Option wählten, verglichen mit 32 %, wenn kein Köder vorhanden war.[3]
11. Empathie-Lücke (Empathy Gap)
Oft unterschätzen wir, wie stark unsere eigenen Gefühle unsere Urteile und Entscheidungen beeinflussen. Sie machen es uns schwer, die Gefühle und Sichtweisen anderer Menschen zu verstehen, vor allem, wenn diese sich in einem anderen emotionalen Zustand befinden als wir selbst.
Diese Verzerrung kann sich im Branding darauf auswirken, wie ein Unternehmen mit seinen Kunden interagiert. Wenn eine Marke die emotionalen Bedürfnisse ihrer Zielgruppe beispielsweise nicht versteht, kann ihre Kommunikation fehlschlagen und zu Desinteresse und einer geringen Kundenbindung führen.
Beispiel
Die Empathy Gap ist der Grund, warum es uns schwerfallen kann, zu erkennen, dass jemand nicht die gleichen Gefühle für uns empfindet, wie wir für ihn.
12. Besitztumseffekt (Endowment Effect)
Warum verlangen wir beim Verkauf eigener Dinge oft zu viel? Weil uns Eigentum glauben lässt, dass etwas mehr wert ist, als es tatsächlich ist—eine kognitive Verzerrung, die als Endowment-Effekt bekannt ist.
Diese Verzerrung kann auftreten, wenn Unternehmer ihre Produkte auf Grundlage ihrer emotionalen Bindung an das Produkt und nicht auf Grundlage der tatsächlichen Marktnachfrage bepreisen. Dies ist eine häufige Falle: Manchmal liebt man das, was man geschaffen hat einfach ein wenig zu viel.
Interessanterweise zeigt die Forschung, dass diese Bias in individualistischen Kulturen wie dem Westen—in denen Selbstverwirklichung häufiger vorkommt—stärker ausgeprägt ist als in kollektivistischen Kulturen wie Ostasien.
Beispiel
In einem Experiment erhielten einige Studenten eine kostenlose Tasse, die sie später verkaufen konnten. Eine andere Gruppe erhielt keine Tasse und sollte anschließend schätzen, wie viel sie bereit wären, selbst für die Tasse zu bezahlen.
Die Besitzer der Tassen schätzten den Gegenstand etwa doppelt so wertvoll ein wie die Personen, die keine Tasse erhalten hatten.[2]
13. Framing-Effekt (Framing Effect)
Die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden, beeinflusst, wie wir sie wahrnehmen—das ist der Framing-Effekt.
Im Marketing kann geschicktes Framing Produkte attraktiver erscheinen lassen, indem positive Eigenschaften hervorgehoben werden. Würdest du zum Beispiel lieber einen Saft kaufen, der zu 90% natürlich ist, oder einen, der zu 10% künstlich hergestellt wurde?
Beispiel
Guinness stand vor der Herausforderung, dass ihr Bier länger zum Einschenken brauchte als das anderer Marken. Aber anstatt dies als Problem zu sehen, machte die Marke daraus einen Vorteil.
Mit der Kampagne „Good things come to those who wait“ (Gute Dinge kommen zu denen, die warten) inszenierte Guinness das Warten als Zeichen von Qualität und machte es zu einem unvergesslichen Erlebnis, wodurch die Marke letztlich sogar gestärkt wurde [4].
14. Halo-Effekt (Halo Effect)
Der Halo-Effekt verleitet uns dazu, anzunehmen, dass jemand, der in einem Bereich gut ist, auch in anderen Bereichen gut sein muss. Diese Verzerrung beeinflusst häufig unsere Urteile, selbst wenn es dafür keine Nachweise gibt.
Beispiel
Eine Studie zeigt, dass der wahrgenommene Preis eines Produkts durch sein Aussehen beeinflusst wird, insbesondere dadurch, wie attraktiv und hochwertig es wahrgenommen wird.
Und Menschen, die mehr Wert auf Design legen, orientieren sich beim Preis besonders stark an der Attraktivität des Produktes.
Möchtest du mehr über diese kognitive Verzerrung erfahren? Ich habe einen ausführlichen Artikel drüber geschrieben, wie du den Halo-Effekt im Branding und Marketing nutzen kannst.
15. IKEA-Effekt (IKEA Effect)
Warum schätzen wir Dinge mehr, wenn wir sie selbst gemacht haben?
Der IKEA-Effekt zeigt, dass wir Dinge, in die wir selbst Arbeit und Mühe investiert haben, höher bewerten, auch wenn sie objektiv nicht besser sind.
Im Branding kann man sich diesen Effekt zunutze machen, indem man Kunden dazu anregt, sich aktiv an dem Produkt oder der Dienstleistung zu betreiligen. Dadurch fühlen sie sich persönlich involviert. Diese emotionale Bindung kann den wahrgenommenen Wert und die Loyalität steigern.
Beispiel
Dan Ariely vermutet, dass Eltern ihre eigenen Kinder mehr schätzen als andere, da sie sehr viel Zeit und Energie in deren Erziehung investiert haben.
Ähnlich verhält es sich mit Produkten, zu denen Menschen eine stärkere Bindung entwickeln, wenn sie diese selbst aufgebaut haben, wie Möbel von IKEA eben.
16. Verlustaversion (Loss Aversion)
Warum fühlt sich der Verlust von 100 Euro schlimmer an als sich der Gewinn von 100 Euro gut anfühlt?
Tatsächlich ist der emotionale Effekt eines Verlusts etwa doppelt so stark wie die Freude über einen Gewinn.
Als Unternehmen kannst du die Verlustaversion deiner Kunden ausnutzen, indem du zeigst, dass Nicht-Handeln später teurer wird. Für meine Branding-Kunden bedeutet das zum Beispiel: Wer nicht in ein professionelles Logo, eine klare Markenbotschaft oder ein einheitliches Design investiert, hinterlässt einen schlechten ersten Eindruck, verwirrt Kunden und muss später ein Rebranding durchführen. Das führt zu weniger Umsatz und möglicherweise zusätzlichen Kosten.
Beispiel
Die Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und Shlomo Benartzi haben das Renten-Modell „Save more tomorrow“ (Morgen mehr sparen) entworfen.
Anstatt monatlich einen bestimmten Betrag in die Rentenkasse einzuzahlen, verpflichtet man sich, einen Prozentsatz aller zukünftigen Gehaltserhöhungen einzuzahlen—sagen wir 20 % einer Gehaltserhöhung von 500 Euro. Auf diese Weise hat man nie das Gefühl, Geld zu verlieren.[3]
17. Mere-Exposure-Effekt (Mere Exposure Effect)
Warum wachsen uns Dinge ans Herz?
Je öfter wir mit etwas in Berührung kommen, desto vertrauter wird es uns und desto eher neigen wir dazu, es zu mögen.
Im Branding und Marketing wird dieses Prinzip genutzt, um Markenloyalität aufzubauen.
Regelmäßiger Kontakt mit den Marken-Assets, Werbungen und Inhalten einer Marke kann diese mit der Zeit attraktiver machen und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich Kunden für sie entscheiden, einfach, weil sie mit ihr vertraut sind.
Beispiel
Robert Zajonc führte ein Experiment durch, bei dem die Teilnehmer Fremdwörter mehrmals laut vorlasen.
Er stellte fest, dass die Wörter, je öfter sie gelesen wurden, umso beliebter bei den Teilnehmern wurden. Damit zeigte er, wie Vertrautheit Vorliebe schafft.
18. (Noble-Edge-Effekt) Noble Edge Effect
Warum lieben wir Marken wie Patagonia so sehr? Der Grund könnte der Noble-Edge-Effekt sein.
Er besagt, dass Marken (oder Menschen) mit starken moralischen und ethischen Werten positiver wahrgenommen werden, wodurch Konsumenten eher dazu neigen, sie anderen vorzuziehen.
Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit oder ethische Praktiken setzen, wie Patagonia mit seinem Umweltengagement, können eine stärkere Kundenbindung aufbauen. Denn sie finden bei sozial bewusst handelnden Konsumenten Zustimmung.
Beispiel
In einem Experiment zur Weinverkostung bewerteten Teilnehmer, die über die wohltätigen Spenden des Weinguts informiert waren, den Wein höher. Dies deutet darauf hin, dass die moralischen und sozialen Werte der Marke ihre Wahrnehmung positiv beeinflussten, unabhängig von der tatsächlichen Produktqualität.
19. Auswahlparadox (Paradox of Choice)
Warum fällt es uns so schwer, eine Entscheidung zu treffen, wenn wir zu viele Optionen haben? Das Auswahlparadoxonzeigt, dass zu viele Möglichkeiten die Entscheidung schwieriger machen können. Denn es führt oft zu Stress, Unzufriedenheit und Bedauern über die getroffene Wahl.
Bieten Unternehmen ihren Kunden zu viele Optionen, überfordern sie diese. Das kann dazu führen, dass die Kunden entweder unzufrieden mit ihrer Wahl sind oder sich gar nicht entscheiden.
Beispiel
Einem Artikel zufolge bietet ein typischer amerikanischer Supermarkt mehr als 30.000 Artikel an. Jedes Jahr kommen mehr als 20.000 neue Produkte hinzu.
Aber mit dieser wachsenden Auswahl und steigendem Wohlstand geht oft ein Verlust an Wohlbefinden einher. Das kann ich ziemlich gut nachvollziehen. Geht es dir genauso?
20. Peak-End-Regel (Peak-End Rule)
Ein negatives Ende überschattet oft eine ansonsten schöne Erfahrung.
Denn wenn wir eine Erfahrung bewerten, neigen wir dazu, unsere Gefühle am Höhepunkt (dem intensivsten Moment) und am Ende der Erfahrung überzubewerten, unabhängig davon, ob diese Gefühle positiv oder negativ sind. Dies wird als Peak-End-Regel bezeichnet.
Das bedeutet, auch wenn der größte Teil des Urlaubs vielleicht wunderschön war, reicht schon ein stressiger Abreisetag oder ein Streit am letzten Abend, um das Gesamturteil zu trüben.
Beispiel
Forscher fanden heraus, dass Darmspiegelungen als weniger schmerzhaft in Erinnerung blieben, wenn Ärzte sie um einige Minuten verlängerten und diese zusätzlichen Minuten etwas weniger schmerzhaft gestalteten.
21. Primäreffekt (Primacy Effect)
Warum erinnern wir uns am besten an die ersten Dinge auf unserem Einkaufszettel?
Der Primacy-Effekt besagt, dass wir uns an die ersten Informationen besser erinnern als an alles, was danach kommt. Unser Gehirn schenkt dem, was zuerst präsentiert wird, mehr Aufmerksamkeit, deshalb bleibt es leichter im Gedächtnis.
Der Primacy-Effekt spielt auch im Branding eine wichtige Rolle. Der erste Eindruck einer Marke kann langfristig wirken. Deshalb sollten Marken von Anfang an einen starken Eindruck hinterlassen – zum Beispiel durch eine ansprechende Website, gut durchdachte Texte oder ein einprägsames Logo. Die ersten Interaktionen prägen vermutlich am stärksten, wie Kunden die Marke langfristig wahrnehmen und sich an sie erinnern.
Beispiel
Der erste Eindruck bei einem Vorstellungsgespräch zählt unverhältnismäßig viel. Eine Umfrage von Simply Hired ergab, dass 93 % der Personalverantwortlichen Unpünktlichkeit bei einem Vorstellungsgespräch als extrem unvorteilhaft ansehen.
22. Priming Effect (Priming Effect)
Warum denken wir bei dem Wort „Zitrone“ an die Farbe „Gelb“? Das liegt am sogenannten Priming-Effekt. Die Wahrnehmung eines Reizes beeinflusst, wie wir auf einen nachfolgenden, verwandten Reiz reagieren.
Hören wir das Wort „Zitrone“, ist unser Gehirn sozusagen darauf „vorbereitet“, an verwandte Konzepte wie die Farbe Gelb, den säuerlichen Geschmack oder das Aussehen der Frucht zu denken. Der erste Hinweis löst eine Kette assoziierter Gedanken aus.
Marken können durch solche Assoziationen gezielt bestimmte Gefühle und Verhaltensweisen bei Menschen auslösen.
Beispiel
Eine Studie des Boston College hat gezeigt, dass sich Videospieler, die in einem Spiel mit Rennwagen der Marke Red Bull unterwegs waren, aggressiver und risikofreudiger verhielten. Dies zeigt, wie stark Marken unser Verhalten beeinflussen können—einzig durch die Assoziationen, die wir mit ihnen verbinden.
23. Rezenzeffekt (Recency Effect)
Aufgrund des Rezenzeffekts erinnern wir uns besser an die zuletzt erhaltenen Informationen als an andere. Das liegt daran, dass die neuesten Informationen noch frisch im Gedächtnis sind, wenn wir sie abrufen wollen.
Der Rezenzeffekt kann Unternehmen dabei helfen, ihre Botschaften gezielter zu gestalten. Die letzte Interaktion eines Kunden mit einer Marke—sei es der abschließende Teil einer Werbung oder das abschließende Argument in einem Verkaufsgespräch—kann einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Marken können dies nutzen, indem sie ihre wichtigsten Botschaften oder Handlungsaufforderungen ans Ende ihrer Kommunikation setzen. So werden sie eher erinnert und führen wahrscheinlicher zu einer Handlung.
Beispiel
Der Rezenzeffekt ist der Grund, warum Zusammenfassungen beim Lernen helfen.
24. Auffälligkeitsverzerrung (Salience Bias)
Warum fällt es uns manchmal so schwer, Dingen zu widerstehen? Das liegt an der Auffälligkeitsverzerrung. Wir konzentrieren uns auf das, was in diesem Moment am auffälligsten ist.
Wenn wir beispielsweise einen Kuchen sehen, können sein intensiver Duft, die cremige Glasur und das unmittelbare Vergnügen unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und wir vergessen dabei die Kalorien und die langfristigen Folgen.
Die Auffälligkeitsverzerrung spielt auch eine Rolle dabei, wie Konsumenten Entscheidungen treffen.
Marken, die die auffälligsten Merkmale ihrer Produkte gezielt hervorheben—zum Beispiel ein besonders auffälliges Verpackungsdesign oder ein klar sichtbares Qualitätsmerkmal—ziehen eher Aufmerksamkeit auf sich und steigern die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden kaufen.
Beispiel
Recherchen zufolge genießen die meisten Menschen das unmittelbare Gefühl einer warmen Dusche, sind sich aber nur selten darüber bewusst, wie viel Energie und Wasser dafür benötigt wird.
25. Spotlight-Effekt (Spotlight Effect)
Warum glauben wir, dass sich die Welt um uns dreht?
Das liegt am sogenannten Spotlight-Effekt. Wir neigen dazu, zu überschätzen, wie sehr andere uns wahrnehmen. In Wirklichkeit sind die meisten Menschen zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt, um sich für unser Leben zu interessieren.
Der Spotlight-Effekt macht sich auch bei Unternehmen bemerkbar. Marken fürchten oft, dass jeder noch so kleine Fehler bemerkt und kritisiert wird. In Wirklichkeit sind Konsumenten jedoch viel weniger kritisch, als man erwarten würde. Mach dir also nicht zu viele Gedanken über Details oder Fehler, sie fallen nicht so sehr auf, wie du denkst.
Beispiel
In einem Experiment wurden Menschen gebeten, ein peinliches Barry-Manilow-T-Shirt zu tragen.
Die T-Shirt-Träger erwarteten, dass etwa die Hälfte der Menschen, die sie sahen, das T-Shirt bemerken würden. In Wirklichkeit tat dies aber nur etwa ein Viertel.
Wie man kognitive Verzerrungen überwindet
Ich hoffe, dass dir diese Liste der 25 kognitiven Verzerrungen weitergeholfen hat.
Vielleicht fragst du dich jetzt: Wie kannst du dich als Konsument vor diesen Verzerrungen schützen und rationalere Entscheidungen treffen?
Hier sind einige Anregungen dazu:
- Akzeptiere kognitive Verzerrungen; sie beeinflussen auch dich und sind oft dazu da, dir zu helfen.
- Recherchiere verschiedene Perspektiven, um ein ausgewogeneres Bild zu gewinnen.
Reflektiere regelmäßig über deine Gedanken und Entscheidungen. Hinterfrage deine Annahmen und ziehe alternative Möglichkeiten in Betracht. - Handle nicht impulsiv. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Fazit
Wenn du eine Marke aufbaust oder Marketingbotschaften gestaltest, kannst du kognitive Verzerrungen nutzen, um eine tiefere Verbindung zu deinem Publikum herzustellen.
Wichtig ist nur, sie bedacht und ethisch einzusetzen, um Vertrauen, Loyalität und langfristige Beziehungen aufzubauen.
Wenn du also eine Kampagne planst, Texte schreibst, Markenmaterial gestaltest oder deine Markenbotschaften entwickelst, behalte diese 25 kognitiven Verzerrungen im Hinterkopf.
Bei verantwortungsvollem Einsatz können sie sehr hilfreich sein, um eine Marke zu schaffen, die echtes Interesse weckt.
Wenn du Fragen, Feedback oder spannende Beispiele hast, freue ich mich darauf, von dir zu hören!
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Referenz:
[1] Bar-Eli, M., Azar, O. H., Ritov, I., Keidar-Levin, Y., & Schein, G. (2007). Action bias among elite soccer goalkeepers: The case of penalty kicks. Journal of Economic Psychology, 28 (5), 606-621.
[2] Daniel Kahneman (2012). Thinking, Fast and Slow. Penguin Books Ltd
[3] Rory Sutherland (2019). Alchemy: The Surprising Power of Ideas That Don’t Make Sense. Penguin Random House
[4] Martin Lindstrom (2008). Buyology: Truth and Lies About Why We Buy. Crown Business
Titelbild von cottonbro studio