So steigerte Ogilvy mithilfe von Psychologie den Umsatz von KFC-Pommes um 56 %

Bild von einem Haufen Pommes

Von Nine Blaess | 9 min

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    Diese Case Study von Sam Tatam wurde ursprünglich von InsideBE veröffentlicht und von mir übersetzt. Es lohnt sich, für weitere tolle Artikel zu den Themen Verhaltensökonomie und Wirtschaftspsychologie auf der InsideBE website vorbeizuschauen.

    In dieser Case Study erfährst du:

    • Wie man einer Kampagne, die schon einige Male durchgeführt wurde, richtig Schwung verleiht;
    • wie Grenzen Kunden dazu motivieren können, sich noch mehr zu beteiligen;
    • die verschiedenen Möglichkeiten, Mehrwert zu schaffen und wie man diesen durch Werbetexte steigern kann; und
    • warum einfaches Messaging in Kombination mit gezielt eingesetzten Ansätzen aus der Verhaltensökonomie zu einer 56-prozentigen Umsatzsteigerung führen kann.

    Problem: Wie kann man einen ohnehin schon guten Deal noch attraktiver gestalten?

    Australien 2014. Am Hauptsitz von KFC liegt ein Hauch von Vorfreude in der Luft. Aber nur ein leichter. KFC ist dabei, die gleiche saisonale Kampagne auszurollen, die schon seit ein paar Jahren läuft. Es scheint, als hätten sich die Kunden schon daran gewöhnt. Gesättigt lecken sie sich die Finger und schmatzen mit den Lippen—sie haben soeben ihren Anteil australischer Ein-Dollar-Pommes verzehrt.

    Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines cleveren Werbeplans—durchgeführt von einem Team aus Verhaltensforschern und Kreativen. Bis zum Ende der Aktion wird der Gesamtabsatz von „Ein-Dollar-Aussie-Pommes“ in Südaustralien um 56 % gestiegen sein.

    Könnte das nur daran liegen, dass jemand einen neuen Weg gefunden hat, um dasselbe Angebot zu beschreiben? Und hat er dabei etwas tief in der Psyche der Kunden bewegt—etwa ihr angeborenes Gefühl dafür, was ein gutes Geschäft ist?

    Wer steckt hinter diesem Erfolg und was können wir daraus über die Art und Weise lernen, wie wir Wert wahrnehmen?

    Der Verhaltensstratege Sam Tatam von Ogilvy UK erklärt, dass es für das Rezept dieser Marketingkampagne keinen magischen Zaubertrunk gibt. Was du jedoch finden wirst, ist eine gehörige Portion Neugierde, Wissenschaft und Recherche, gepaart mit einem ordentlichen Maß an Kreativität.

    Die Herausforderung für Sam und sein Team bei Ogilvy Australia bestand darin, etwas bereits Großartiges noch großartiger zu machen.

    Wie kann man immateriellen Wert schaffen?

    KFC bat das Expertenteam von Ogilvy, den Wert eines seiner Produkte zu steigern: $1,00-Pommes.

    „Aber wir konnten weder das Produkt noch den Preis ändern, sondern nur die Art und Weise, wie die Leute es sehen. Um die richtigen Zutaten in den Mix zu bringen, haben wir uns sämtliche Literatur durchgesehen und 18 verschiedene Prinzipien aus der Psychologie gefunden, die für die Wertwahrnehmung alltäglicher Konsumgüter am relevantesten sind“, erklärt Sam.

    Illustration von KFC-Pommes und einem 1-Dollar-Preisschild
    KFC’s großartiges Angebot von 1 $ Pommes. Quelle: Ogilvy Asien[1]

    Diese Prinzipien beinhalten allgemein bekanntere Konzepte wie Scarcity (dt. Knappheit)—wenn etwas knapp wird, befürchten wir, dass wir etwas verpassen könnten, und schätzen es daher umso mehr; Loss Aversion (dt. Verlustaversion)—wir sind doppelt so motiviert, einen Verlust zu vermeiden, wie einen Gewinn zu erhalten; und Social Norming (dt. Soziale Normierung)—wenn viele Menschen etwas tun, sehen andere, dass ein Verhalten wertvoll sein muss, und folgen dem Beispiel. (Erinnerst du dich an die Frage deiner Mutter: „Wenn deine Freunde von einer Brücke springen würden, würdest du es dann auch tun?“, als du sie gebeten hast, dir ein Paar Lil Nas X Satan-Schuhe zu kaufen, nur weil alle Mütter deiner Freunde sie gekauft haben? Nein? Erinnerst du dich nicht? Oh, okay, peinlich …

    Das Team untersuchte aber auch weniger offensichtliche Verhaltensprinzipien und Vorurteile. Zum Beispiel ein Konzept namens „Value Payoff“ (dt. Wertausgleich): Wenn sich etwas zu gut anfühlt, um wahr zu sein, denken wir: „Okay, wo ist der Haken?“ und neigen dazu, nach dem Negativen zu suchen. Wie Sam frech anmerkt: „Die Leute könnten sich zum Beispiel fragen: Handelt es sich um alte Kartoffeln?“

    Unternehmen können dieser Sorge entgegenwirken, indem sie die negativen Aspekte eines Geschäfts offen ansprechen, noch bevor der Kunde sich Gedanken darüber macht.

    Ryanair zum Beispiel rechtfertigt den niedrigeren Preis für seine günstigen Flüge damit, dass die Passagiere für das Essen an Bord bezahlen müssen. Es ist einfacher, eine direkte Verbindung zwischen dem niedrigeren Preis und einer nicht-kostenlosen Tüte Erdnüsse herzustellen.

    Der Verzicht auf Erfrischungen an Board verschafft den Eindruck, dass der Preis dadurch zustande gekommen ist, dass dieser Teil des Standardpakets gestrichen wurde, und nicht dadurch, dass an der Technik des Flugzeugs oder am Gehalt des Piloten gespart wurde. Das wäre in der Tat beängstigender und könnte die Menschen vielleicht ganz vom Fliegen abhalten.

    Doch zurück zum KFC-Problem: Das Team untersuchte weiter, welche der 18 verschiedenen psychologischen Prinzipien im Zusammenhang mit Pommes für einen Dollar am besten funktionieren würden.

    „Wir haben 90 verschiedene Optionen generiert, Pommes für 1,00 Dollar zu sagen, und sie auf fünf Kernbotschaften reduziert, die anschließend getestet wurden“, erklärt Sam.

    Illustration mehrerer Portionen KFC-Pommes unter einem roten Punkt mit der Aufschrift '90'.
    Ogilvy kreierte 90 verschiedene Arten, Pommes für 1,00 Dollar zu sagen. Quelle: Ogilvy Asien [1]

    5 verschiedene Arten, Pommes-für-einen-Dollar zu sagen

    1. Loss aversion (dt. Verlustaversion)

    Die erste Kernbotschaft war darauf ausgelegt, Verlustangst auszulösen. Sie enthielt eine zeitliche Einschränkung, die vage genug war, um Unsicherheit zu erzeugen und die Menschen dazu zu bringen, sich auf das Angebot einzulassen, indem sie eine FOMO-Reaktion auslöste.

    Ohne viel Drum herum sagte die Botschaft einfach:

    „Pommes für $1,00 wird es nicht für immer geben.“

    Allerdings wurde nicht angegeben, wann das Angebot endet. Hätte es geheißen, dass das Angebot für die nächsten 3 Monate gilt, hätten die Menschen vielleicht das Gefühl gehabt, dass sie noch genug Zeit hätten. So allerdings waren sie sich nicht ganz sicher. (Hier erfährst du mehr über Loss Aversion)

    Loss aversion (Verlustaversion)

    Wir reagieren etwa 2,5 Mal empfindlicher auf Verluste als auf Gewinne in gleicher Höhe.

    2. Reciprocity (dt. Gegenseitigkeit)

    Ein anderes Konzept beruht auf dem Prinzip der „Gegenseitigkeit“: Wenn jemand etwas für uns tut, sind wir geneigt, den Gefallen zu erwidern. Das Team der Ogilvy-Verhaltensexperten griff auf ein Konzept zurück, das als „reziprokes Zugeständnis“ bekannt ist.

    „Stell es dir vor wie das Feilschen auf einem Markt in Marrakesh; sie fangen mit 10 an und du sagst 5 und dann trefft ihr euch in der Mitte bei 7—das ist ein gegenseitiges Zugeständnis. Also sagten wir:

    ‚Ihr wolltet kostenlose Pommes. Wir kommen euch mit unseren Pommes für 1 Dollar in der Mitte entgegen’“,

    schließt Sam und erklärt, wie Ogilvy das geschafft hat. (Hier kannst du mehr über das Prinzip der Gegenseitigkeit erfahren)

    3. Value payoff (dt. Wertausgleich)

    Eine weitere interessante Methode, die das Ogilvy-Team testete, war es, eine Einschränkung im Angebot anzugeben, um dadurch den Wert zu betonen. Dies wurde dadurch erreicht, dass die Botschaft mit einem Aufhänger eingeleitet wurde, um den Wert der Botschaft zu verstärken:

    „Pommes für 1,00 Dollar—nur zur Abholung.“

    „Was wirklich interessant an diesem Konzept ist, ist die Tatsache, dass KFC in Australien sowieso keine Lieferungen anbietet. Und so haben wir im Grunde nur eine Tatsache beleuchtet, um den Wert von 1,00 $ Pommes zu unterstreichen“, verrät Sam mit einem kleinen Augenzwinkern.

    4. Anchoring (Ankern)

    Ein weiterer zu testender Ansatz das Setzen eines Ankers. Anchoring wurde von Dan Ariely geprägt. Zahlreiche Studien haben ergeben, dass Menschen kurios reagieren, wenn Unternehmen willkürliche Beschränkungen einführen. Sie möchten eine Sache dann umso mehr!

    „Indem wir jemanden einen Anker geben, können wir die empfundene Menge, die eine Person kaufen sollte, beeinflussen“, erklärt Sam.

    Als Snickers eine Werbeaktion durchführte, die lautete: „Kaufen Sie 18 Riegel für Ihre Gefriertruhe“ statt nur „Kaufen Sie einige für Ihre Gefriertruhe“, stieg die durchschnittliche Anzahl der verkauften Riegel von 1,4 auf 2,6.

    Auch Campbell’s Suppen verkauften sich besser, als es eine Obergrenze von 12 Dosen pro Person gab. Der durchschnittliche Verkauf stieg von 3,3 Dosen vor der Begrenzung auf 7 Dosen nach Einführung der Begrenzung.

    Die Idee, einen Mengenanker in den Vordergrund zu stellen, lag auf der Hand, da einer der Kampagnen-Hinweise lautete: „Maximal vier pro Kunde“. „Anstatt den Disclaimer im unteren Teil unserer Anzeigen zu verwenden, haben wir ihn einfach in unsere Überschrift integriert“, verrät Sam.

    „Ein so gutes Angebot, dass du nur vier davon kaufen darfst“

    Psychologie zur Steigerung des Umsatzes nutzen durch Anchoring
    KFC's 1,00 $ Pommes Angebot unter Anwendung des Prinzips des Anchorings. Quelle: Ogilvy Asien [1]

    5. Social norming (dt. soziale Normierung)

    Die letzte Botschaft machte sich die Wirkung des Herdenverhaltens zunutze, auch bekannt als social proof (dt. sozialer Beweis) (für alle Cialdini-Fans da draußen).

    Der Slogan lautete:

    „Jeder genießt unsere Pommes für 1 $, warum nicht auch du?“,

    um ein Beispiel für eine bestimmte Handlung zu geben, die viele andere unwiderstehlich finden.

    Der Prozess zur Erstellung der endgültigen Vorschläge war bei allen zugrundeliegenden Prinzipien das gleiche.

    „Man beginnt damit, die Theorie in Fragen umzuwandeln, die schließlich zu endgültigen Aussagen führen. Im Falle der sozialen Normierung könnten das Fragen sein wie: ‚Wie können wir den Kunden zeigen, dass ihre Freunde diese Pommes bereits konsumieren? Wie können wir zeigen, dass viele andere Menschen diese Pommes bereits gekauft haben?’ Die Beantwortung solcher Fragen würde es dem Kreativteam letztlich ermöglichen, die endgültige Formulierung zu finden“, beschreibt Sam.

    Ein Probelauf auf Facebook

    Die Anzahl der einzelnen Klicks auf gesponserte Social-Media-Posts wurde als Indikator für die Wirksamkeit einer Kampagne verwendet. Auf eine einheitliche Bildsprache folgten fünf verschiedene Formulierungen der gleichen Botschaft.

    KFC testete jede dieser fünf Botschaften, sowie eine Kontrollbotschaft über eine Woche hinweg, um herauszufinden, welche die höchste Reaktionsrate erzielte, gemessen an Klicks. Sie stellten fest, was die Leute ansprach und sie dazu bewegte, über das Angebot nachzudenken.

    Die Forscher fanden heraus, dass Reziprozität und Verankerung deutlich besser abschnitten als die Kontrollgruppe, während die soziale Normierung deutlich schlechter abschnitt.

    Wie Sam weiter erläutert: „Durch die Verankerung hat sich das Gespräch von einem Preispunkt—die Leute reden über einen Dollar—zu einer Frage gewandelt: Wie viele kann ich eigentlich kaufen? Und wenn ich zweimal durch den Drive-Thru gehe, kann ich dann sechs kaufen? Der einfache Einsatz von Psychologie hat das Gespräch also völlig verändert!“

    Die Variante der sozialen Normierung hingegen, die schlechter als die Kontrollformulierung abschnitt, könnte sich wie Werbung angefühlt haben, was die meisten durchschauten, sodass diese möglicherweise eine gegenteilige Wirkung erzielte.

    Dies verdeutlicht einen wichtigen Punkt. Die Verhaltenswissenschaft ist keine Wunderwaffe. Aber durch Testen und Lernen können wir verstehen, welche Strategien am effektivsten sind, und wir können sie entsprechend wiederholen und skalieren.

    Und genau das hat Sams Team getan, als es die Erkenntnisse des Anchorings den Kreativteams präsentierte und damit eine Radiokampagne für Südaustralien entwickelte.

    Eine Steigerung des Umsatzes um 56 %

    Eine anschließende Radio- und visuelle Kampagne führte zu einem Anstieg des Gesamtumsatzes mit Pommes um 56 % im Vergleich zum Vorjahr. Aber es wird noch interessanter, wenn man sich ansieht, wo einige der Verkäufe generiert wurden: Das Unternehmen verzeichnete einen Anstieg von 84 % bei 4 Pommes-Transaktionen.

    Ein anderer Anker führte zu einer massiven Verhaltensänderung, die dazu führte, dass nicht mehr nur 1 oder 2, sondern 4 Packungen gekauft wurden.

    Und warum? Um eine berühmte Antwort von Mallory zu zitieren, als ihm die gleiche Frage gestellt wurde: „Warum wollten Sie den Mount Everest besteigen?“—„Weil er da ist!“

    Wichtigste Erkenntnisse

    • Betrachte jede neue Kampagne als Marktforschung, die du für deine zukünftigen Entscheidungen nutzen kannst. Du musst nicht gleich beim ersten Versuch aufs Ganze gehen. Lege einen Richtwert fest, um die Wirksamkeit deiner Botschaft zu beurteilen, und beginne damit, universelle Prinzipien auszuprobieren, um zu sehen, was am besten funktioniert.
    • Scheu dich nicht davor, Theorie als Ausgangspunkt zu verwenden. Theoretische Konzepte können sich schwer anfühlen. Überlege daher, wie du diese Grundsätze als Grundlage für Fragen nutzen kannst, die es dir ermöglichen, kurze Aussagen zu formulieren um schließlich zu einer endgültigen Botschaft zu gelangen. Einige Konzepte lassen sich leichter umsetzen, andere nicht, und das ist in Ordnung.
    • Sei bereit, dich auf scheinbar unlogische Lösungen einzulassen. Wenn du zum Beispiel ein kleines Hindernis einführst oder die Auswahl durch Knappheit oder einen Anker—wie bei KFC—einschränkst, kannst du Aktionen auslösen, von denen du gerne mehr sehen würdest.
    Case Study von

    Sam Tatam

    Leiter der Abteilung Verhaltenswissenschaft, Ogilvy Growth & Innovation

    Referenzen

    [1] Bilder von Ogilvy Asia

    Coverbild von Polina Tankilevitch über Pexles

    Nine Blaess

    Nine Blaess

    Hallo, ich bin Nine. Ich verbinde Strategie und Design, um maßgeschneiderte Markenidentitäten und Websites zu gestalten, die die Einzigartigkeit jedes Unternehmens unterstreichen.

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